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Wrackteil der Air-India-Boeing-787: »Wichtige technische und systemische Aspekte nach wie vor ungeklärt«
Foto: Amit Dave / REUTERS
Nach einem vorläufigen Bericht zum Absturz des Air-India-Flugzeugs vor einem Monat stehen nun zwei Regler und die Piloten im Fokus. Aus dem Report der indischen Behörde für Flugunfalluntersuchung geht hervor,dass der Absturz mit 260 Toten möglicherweise auf eine unterbrochene Treibstoffzufuhr zurückzuführen ist. Die Regler für die Kraftstoffzufuhr der beiden Triebwerke seien unmittelbar nach dem Start fast gleichzeitig auf die Position »abgeschaltet« gesprungen,heißt es. Wird die Treibstoffzufuhr unterbrochen,liefern die Triebwerke keinen Schub mehr und das Flugzeug verliert an Höhe.
Luftfahrtexperten,die nicht an der Erstellung des Berichts beteiligt waren,kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen. Graham Braithwaite von der Cranfield University sagte der BBC,solche Treibstoffregler könnten nicht leicht abgeschaltet werden. Es handle sich um »wirklich wichtige Schalter«,die davor geschützt seien,dass jemand sie versehentlich berühre.
Wenn ein Pilot einen solchen Schalter betätigen wolle,müsse er diesen »anheben und sehr bestimmt in die gewünschte Position bewegen«,erklärte der Professor für Sicherheit und Unfalluntersuchung. Braithwaite wies aber auch darauf hin,dass in dem Bericht nicht behauptet werde,ein Pilot habe den Schalter bewegt.
Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt zeigte sich im SPIEGEL-Gespräch überzeugt,dass einer der beiden Piloten die Treibstoffzufuhr absichtlich unterbrochen habe
. »Alles deutet darauf hin,dass es ein Suizid war. Dass einer der beiden Piloten dieser Maschine bewusst die Treibstoffzufuhr unterbrochen hat – und das genau in dem Moment,in dem das Flugzeug am verwundbarsten war,unmittelbar nach dem Abheben.«
Als Beispiel nannte sie den Schalter zur Kontrolle der Treibstoffzufuhr,»bei dem unter Umständen die Arretierungsfunktion,das sogenannte ›Locking Feature‹,nicht intakt gewesen sein kann. Dies kann unbeabsichtigte Betätigungen begünstigen. Trotz bekannter Sicherheitsbedenken wurde dieses Bauteil bei Air India weder überprüft noch durch eine verbesserte Version ersetzt.«
Das Bulletin von 2018 war eine Information,keine verpflichtende Lufttüchtigkeitsanweisung. Aus dem aktuellen Bericht geht hervor,dass Air India die vorgeschlagene Inspektion nach eigenen Angaben nicht durchführte,da es sich um eine Empfehlung und keine verpflichtende Anweisung gehandelt habe. Seit 2023 sei kein Defekt des Treibstoffreglers im schließlich abgestürzten Flugzeug gemeldet worden.
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Der Chef der Fluggesellschaft Air India,Campbell Wilson,sagte,der Bericht liefere zwar zusätzliche Details zu dem Unglück. Aber: »Wenig überraschend sorgte er sowohl für mehr Klarheit als auch für zusätzliche Fragen.« Der Bericht habe weder eine Ursache genannt noch Empfehlungen ausgesprochen,erklärte Wilson am Montag in einem internen Memo,das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. »Daher bitte ich alle dringend,keine voreiligen Schlüsse zu ziehen,da die Untersuchung noch lange nicht abgeschlossen ist.«
mha/dpa/Reuters